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Peter Köttritsch

Mk 2,23-27 Jesus und der Sabbat

Aktualisiert: 19. Juli 2021

"Was ist Betrug?", fragt der Professor den Jurastudenten.


"Betrug ist, wenn Sie mich durchfallen lassen."


"Wieso denn das?"


"Weil sich nach dem Strafgesetzbuch derjenige des Betruges schuldig macht, der die Unwissenheit eines anderen ausnützt, um diesen zu schädigen."





Beim Jus Studium lernt man alles über die Gesetze. (Sofern das überhaupt möglich ist)





Gesetze an sich sind etwas sehr gutes und letztendlich notwendig um ein friedvolles Zusammenleben von Menschen zu ermöglichen.


Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass überall dort, wo es gute Gesetze gab, sich die jeweilige Kultur positiv entwickelt hat. Ob das die 10 Gebote und in weiterer Folge die Thora bei den Juden war, die griechisch-römische Gesetzgebung im Altertum, oder unsere „Gewaltenteilung“ wie wir sie heute haben.





Aber auf der anderen Seite können Gesetze sehr starr, unflexibel und letztlich auch absolut unbarmherzig sein. Wenn man den Sinn eines Gesetzes nicht nachvollziehen kann, löst das in der Regel Unverständnis aus.


Als Beispiel kann man die verschiedenen Corona Regeln hernehmen. Manches von dem, was von der Regierung beschlossen wurde, machte für viele Menschen durchaus Sinn und deshalb wurden die Maßnahmen auch eingehalten. Anderes stieß zunehmend auf Unverständnis und wurde, wenn überhaupt nur sehr widerwillig befolgt.





Oder nehmen wir Geschwindigkeitsbeschränkungen her. Als wir einmal in Israel waren und uns dort das Auto eines Verwandten, der dort lebte ausleihen durften, meinte dieser, dass die Tafeln, die eine Höchstgeschwindigkeit anzeigen, in der Bevölkerung nur als „Vorschlag“ verstanden werden.


Ehrlich gesagt: Wenn auf einer breiten Straße irgendwo eine Baustelle ist, halte ich mich auch nur selten an den 30er. Im Siedlungsgebiet halte ich mich sehr wohl daran und ärgere mich auch über Autofahrer, die das nicht tun.





Auch das Volk Israel hielt sich nicht immer an das von Gott durch Mose gegebene Gesetz. Auf der einen Seite gab es immer wieder die Erkenntnis, dass das Einhalten des Gesetzes zum Sieg über die Feinde, zum Wohlstand und zum Leben führte. Auf der anderen Seite musste man immer wieder die menschliche Unfähigkeit zur Kenntnis nehmen, sich an das Gesetz zu halten.


Das brachte einige Männer in Israel dazu eine Partei zu gründen, deren vorrangige Aufgabe es war, für die Einhaltung der Gebote, vor allem des Sabbatgebotes zu sorgen. Sie verstanden sich als eine Art religiöse Polizei. Es war dies die Partei der Pharisäer.


Um größere Klarheit zu erlangen, definierten die Rabbiner im Lauf der Zeit ganz genau, wie manche Gebote befolgt werden mussten. Sie legten z.B. ganz genau fest, wie viele Schritte am Sabbat zu gehen erlaubt war und welche Ausnahmen es gab.


Um manche Gesetze errichteten sie einen sogenannten „Zaun“. Z.B.: Es ist bis heute so, dass Feuer machen am Sabbat streng verboten ist. Die an diesem Tag sehr beliebten Kerzen werden deshalb schon am Vorabend, spätestens eine halbe Stunde bevor die Sonne untergeht angezündet.


Oder die strenge Koscher Regel „Milchiges und Fleischiges zu trennen“ geht zurück auf das Gebot: Du sollst ein Böckchen nicht in der Milch seiner Mutter kochen. (2.Mo 23,19) Wenn man sieht, welche Auswüchse die Einhaltung alleine dieses Gebots angenommen hat, dann kann man als jemand, der mit der jüdischen Kultur nicht vertraut ist, nur den Kopf schütteln.





Karin hat uns letzte Woche mitgenommen auf einen Streifzug durch das Matthäusevangelium. Das war sehr gut. Ich liebe es biblische Bücher als Ganzes zu betrachten, nicht nur einzelne Verse. Ich liebe es auch, diese roten Linien zu finden, die die ganze Bibel durchziehen.


Eine solche rote Linie stellen Hinweise auf den Messias dar, der ja schon im AT immer wieder angekündigt wurde. In den Evangelien wird über diesen Messias Jesus berichtet und später im restlichen NT wird sein Kommen und sein Werk theologisch und praktisch analysiert.





Gleich im Anschluss an das Matthäusevangelium kommt bekanntlich das Markusevangelium. Ich darf euch heute zu einer weiteren Etappe auf unserer Reise durch das Selbige begleiten. (Begegnung mit Jesus!)





Wir sind mittlerweile am Ende des zweiten Kapitels angelangt und stoßen dabei auf einen Bericht, wo die Jünger Jesu, von den Pharisäern beim Übertreten einer Sabbatvorschrift „auf frischer Tat“ ertappt wurden.





Mk 2,23-28


An einem Sabbat ging Jesus mit seinen Jüngern durch die Getreidefelder. Unterwegs fingen die Jünger an, Ähren abzureißen und die Körner zu essen.


24 Da beschwerten sich die Pharisäer bei Jesus: »Sieh dir das an! Was sie tun, ist am Sabbat doch gar nicht erlaubt!«


25 Aber Jesus antwortete ihnen: »Habt ihr denn nie gelesen, was König David tat, als er und seine Männer in Not geraten waren und Hunger hatten? 26 Damals – zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar – ging er in das Haus Gottes. Er aß mit seinen Männern von dem Brot, das Gott geweiht war und das nur die Priester essen durften.«


27 Und Jesus fügte hinzu: »Der Sabbat wurde doch für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch für den Sabbat.


28 Deshalb ist der Menschensohn auch Herr über den Sabbat und kann somit entscheiden, was am Sabbat erlaubt ist.«





Das Erste, was mir in dieser Begebenheit auffällt, ist dass Jesus „ihr“ Gesetzt stehen lässt und gar nicht darauf eingeht, dass diese genauen Bestimmungen, was am Sabbat getan werden darf und was nicht, so nicht in der Bibel (auch nicht in der damaligen) vorkommen.


Jesus hat zwar, wie wir letzte Woche gehört haben in der Bergpredigt gesagt, dass nicht der kleinste Strich des Gesetzes aufgehoben wird, aber ich bin mir sicher, dass er damit ausschließlich das von Gott gegebene Gesetz (Thora) meinte und nicht die weiteren menschlichen Satzungen.


Aber er respektierte diese Satzungen insofern, als dass er kein Problem damit hatte, wenn sich z.B. die Pharisäer daran halten und diese Satzungen für viele Menschen „Gewicht“ hatten und bis heute haben.


Er lässt auch diesen „Zaun ums Gesetz“ stehen, aber er hat zu Recht und er nimmt sich die Freiheit, über diesen Zaun zu steigen.





Aber das zweite, was mich fast schockiert hat, war, seine Argumentation. Habt ihr denn nie gelesen, was König David tat, …


Nur weil jemand anderer (David) eine noch schlimmere Gesetztes Übertretung begangen hatte rechtfertigt das die Eigene???


Nur weil ein Anderer schlimmere Dinge als ich tut, macht das meine Übertretung noch nicht besser.


Wenn mich die Polizei aufhält, weil ich im Ortsgebiet 70 gefahren bin, hilft mir das nicht, zu erklären, dass ich gerade überholt wurde.





Noch dazu war es in Davids Fall ja tatsächlich so, dass diese Vorschrift mit den Schaubroten aus der Bibel (Thora) stammen. (3. Mo 24,9)





Was also ist die geistliche Wahrheit, die wir für uns heute aus dieser Begebenheit lernen können?





Wie gesagt: Das Gesetz Gottes ist gut und dient dazu, das menschliche Miteinander zu regeln. Wenn wir uns zum Beispiel die 10 Gebote anschauen, dann sehen wir, dass sie vorrangig das Ziel haben, Leben zu bringen. Also nicht nur das biologische Leben zu schützen (das auch), sondern ganzheitlich das Leben gelingen zu lassen. Und nicht nur das Leben einzelner, sondern das Leben aller.


Es geht bei den 10 Geboten, sowie beim gesamten Gesetz Gottes niemals darum, juristisch wasserdicht sagen zu können: Bis hierher darf ich gehen, dann ist das was ich tue OK. Wenn ich einen Schritt weitergehe, sündige ich.


Die Gebote Gottes sollen uns helfen, Gottes Maßstäbe zu erkennen und nach ihnen mein Leben auszurichten.


Um es anhand des Sabbatgebots zu verdeutlichen:


Mo 20 8-11


Denk an den Sabbat und heilige ihn.


Sechs Tage in der Woche sollst du arbeiten und deinen alltäglichen Pflichten nachkommen, der siebte Tag aber ist ein Ruhetag für den Herrn, deinen Gott. An diesem Tag darf kein Angehöriger deines Hauses irgendeine Arbeit erledigen. Das gilt für dich, deine Söhne und Töchter, deine Sklaven und Sklavinnen, dein Vieh und für alle Ausländer, die bei dir wohnen.


Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel, die Erde, das Meer und alles, was darin und darauf ist, erschaffen; aber am siebten Tag hat er geruht. Deshalb hat der Herr den Sabbat gesegnet und für heilig erklärt.





Versuch einmal alles, was du über dieses Gebot gehört, oder gelesen hast zu vergessen und versuche nachzuspüren, was Gott den Menschen damals, und dir heute damit sagen will?





Geht es da um Vorschriften, oder um Beziehung? Ist es ein „Gesetz“, in dem Sinn, dass bei Nichtbeachtung Strafe droht, oder ist es ein „Gebot“, das dir hilft dein Leben in gesunder Balance zu halten?











Was bedeutet es jetzt, wenn Gott uns verspricht, dass er sein Gesetz in unser Herz schreiben will? (Jer 31,33)


Jesus bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass er uns ein neues Gebot gibt: Liebt einander! So wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr euch auch untereinander lieben. (Joh 13,34)


Die Liebe fragt nicht danach, wie weit sie gehen muss, um noch OK zu sein. Oder was sie einhalten muss um nicht bestraft zu werden, sondern sie geht freiwillig weit über das geforderte Maß hinaus.


„Im Siedlungsgebiet ist 30km/h erlaubt, ich fahre nur 20, um ja sicher zu stellen, dass ich niemanden gefährde.“


Oder: „Egal, welche Corona Vorschriften gerade gelten, ich tue darüber hinaus mein Möglichstes um Andere nicht anzustecken.“





Nur wie ist das jetzt mit dem Sabbat Gebot? Hat Jesus hier Liebe gezeigt? Wenn „Ja“, wie sieht diese Liebe aus?





Jesus sagt etwas sehr Grundsätzliches über Autorität und Gesetz: Das Gesetz an sich hat nur so weit Kraft, wie es die Autorität, die hinter dem Gesetz steht zulässt. Es war nicht irgendwer, sondern Gott selber, der das Sabbat Gebot erlassen hat. Aber sein Ziel war nicht, die Menschen damit zu knechten, oder einzuengen, sondern in die Freiheit und in die Beziehung zu ihm zu führen.


Der Sabbat wurde doch für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch für den Sabbat.


Heißt das, dass wir uns gar nicht mehr um die Gebote kümmern müssen? Natürlich nicht! Aber es geht sehr wohl darum, den Geboten den richtigen Stellenwert zuzuordnen. Jesu Akt der Liebe zeigt sich darin, dass er uns die Last der religiösen Ordnungshüter abnimmt und uns in die Freiheit der Kinder Gottes führt. Diese Freiheit besteht darin, dass uns das Gesetz mit all seinen Forderungen nicht mehr knechtet, sondern wir den Sinn hinter den einzelnen Geboten erkennen dürfen.


Gottes Geist hilft uns dabei in unserem Leben das umzusetzen, was Gottes Ziel mit den Geboten war: Zum echten Leben zu kommen.





Paulus drückt es in Gal 6,2-4 so aus:


Jeder soll dem anderen helfen, seine Last zu tragen. Auf diese Weise erfüllt ihr das Gesetz, das Christus uns gegeben hat.


Wer sich jedoch einbildet, besser zu sein als die anderen, der betrügt sich selbst.


Darum soll jeder sein Leben genau prüfen. Dann wird er sich über seine guten Taten freuen können, aber keinen Grund zur Überheblichkeit haben.





Wir dienen dann Gott nicht mehr nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern im Geist. Bekanntlich tötet der Buchstabe, aber der Geist macht lebendig! (2. Kor 3,6)





Was ist also am Sabbat erlaubt? Alles, was dem Leben dient!


Wenn Gott es nötig hatte am siebten Tag zu ruhen, dann tut uns Ruhe gewiss auch gut.


Lasst uns diese Freiheit, die wir als Kinder Gottes haben nicht dazu missbrauchen allein unseren eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu folgen, sondern lasst uns dieses Geschenk des freien Tages dazu verwenden, in unserer Beziehung zu Gott und in unseren Beziehungen zu einander zu wachsen.

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