Ein junger Mann erzählt: „Hab am Samstag ein Mädchen kennengelernt. Sie meinte, sie ruft mich direkt nach der Arbeit an. Die Arme arbeitet jetzt schon 72 Stunden.“
Spätestens seit Einstein wissen wir, dass Zeit auch etwas Relatives ist. Wir empfinden das zumindest subjektiv auch so. Je älter man wird und je gestresster man ist, desto schneller vergeht die Zeit. Umgekehrt, wenn ich auf etwas warten muss und vielleicht die Zeit totschlagen muss, bewegt sich selbst der Sekundenzeiger im Schneckentempo.
In der Bibel (Prediger 3) finden wir die philosophische Betrachtung, dass alles auf der Welt seine Zeit hat. Geboren werden und sterben, pflanzen und ausreißen, usw.
Die Gute Nachricht Bibel übersetzt Prediger 3,1: Alles, was auf der Erde geschieht, hat seine von Gott bestimmte Zeit.
Das Stichwort „Zeit“ kommt in der Bibel überaus häufig vor. Im Neuen Testament finden wir zwei griechische Wörter, die die Zeit beschreiben.
Zum einen ist das „Chronos“. Das ist die messbare, oder gemessene Zeit. Wir kennen dieses Wort im Deutschen zum Beispiel, wenn wir uns mit einer Chronologie beschäftigen, oder wenn jemand chronisch erkrankt ist.
Es gibt aber im Neuen Testament auch das Wort „Kairos“ für die Zeit. Und dieser Kairos beschreibt einen ganz konkreten Zeitpunkt. In der Bibel ist das ein Moment, in dem Gott etwas Entscheidendes tut und somit eine Zeitwende einläutet.
Als die Zeit erfüllt war, als dieser Kairos Gottes gekommen war, sandte Gott seinen Sohn. (Galater 4,4)
Ich möchte euch in dieser Zeit mitnehmen auf eine Reise durch das Markusevangelium. Konkret geht es mir darum, dass wir auf dieser Reise Jesus ganz persönlich, und vielleicht auch (wieder) ganz neu begegnen.
Wir sind Jesus vor zwei Wochen schon bei seiner Taufe und seiner Wüstenzeit begegnet. Auch Erika hat bei ihrer Predigt letzte Woche dazu eingeladen, diesem wunderbaren Jesus zu begegnen, ihn anzuschauen und ihm in den Stürmen unserer Zeit zu vertrauen.
Ich möchte heute im Markusevangelium weitermachen, und zwar in Markus 1,14-20.
14 Nachdem Johannes der Täufer von König Herodes verhaftet worden war, kam Jesus nach Galiläa, um dort Gottes Botschaft zu verkünden:
15 »Jetzt ist die Zeit gekommen, Gottes Reich ist nahe. Kehrt um zu Gott und glaubt an die rettende Botschaft!«
16 Als Jesus am See Genezareth entlangging, sah er dort Simon und dessen Bruder Andreas. Sie waren Fischer und warfen gerade ihre Netze aus.
17 Da forderte Jesus sie auf: »Kommt, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschen machen, die andere für Gott gewinnen.«
18 Sofort ließen die beiden Männer ihre Netze liegen und gingen mit ihm.
19 Nicht weit davon entfernt begegnete Jesus Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus. Die beiden waren im Boot und brachten ihre Netze in Ordnung.
20 Auch sie forderte er auf, ihm nachzufolgen. Da verließen sie ihren Vater mit seinen Arbeitern und gingen mit Jesus.
Der Abschnitt beginnt damit, dass Johannes der Täufer verhaftet wurde. Wie wir aus den weiteren Berichten in den Evangelien erfahren, sollte er das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen können.
Das ist hart und wir empfinden das Handeln von König Herodes zurecht als ungerecht und willkürlich.
Das ist die Realität dieser Welt. In ihr wird es immer Ungerechtigkeit, Verleumdung, Hartherzigkeit und viele böse Dinge geben.
All das spiegelt das Wesen einer Welt wider, die sich von Gott abgewandt hat. Die Leidtragenden dieser Situation sind nicht nur Einzelne, wie Johannes. Es sind letztendlich alle Menschen. Ob sie Gutes tun, oder Böses, alle leiden letztendlich darunter. Selbst einflussreiche Menschen können sich aus diesem Umstand nicht freikaufen. Und auch ein Kind Gottes zu sein, oder, wie Johannes, ein von Gott beauftragter Bote zu sein, schützt nicht davor, die Härte und Ungerechtigkeit dieser Welt zu erfahren.
Gerade deshalb war es notwendig, dass Gott selber eingreift und einen Neuanfang möglich macht. Eine neue Option ins Spiel bringt.
Und diese neue Option geschieht dadurch, dass Gott diesen besonderen Moment, diesen Kairos schenkt, den Jesus gleich am Anfang seines öffentlichen Wirkens verkündigt:
15 »Jetzt ist die Zeit gekommen, Gottes Reich ist nahe. Kehrt um zu Gott und glaubt an die rettende Botschaft!«
Jetzt ist der Kairos Gottes! Jetzt begegnet Gott persönlich den Menschen, indem er selber Mensch wird. Durch die Menschwerdung Gottes kommt gleichzeitig auch das Reich Gottes ganz nahe zu uns Menschen. Es wird erlebbar, fühlbar, angreifbar.
Nicht nur damals, als Jesus als Mensch auf dieser Erde lebte. Dieses Ankommen des Reiches Gottes ist seither nicht mehr aufzuhalten. Es breitet sich seither beständig ist. In diesem Reich Gottes erleben wir Gottes Antwort auf diese gefallene Welt. In ihm kehrt sich das, was der Teufel in dieser Welt kaputt gemacht hat, um 180° um. Und deshalb müssen auch alle Menschen um genau diese 180° umkehren, die ins Reich Gottes hinein wollen. Dieses Umkehren zählt ja Jesus als eine von nur zwei „Bedingungen“ auf, um Teil dieses Reiches Gottes zu werden:
Er sagt: Kehrt um und glaubt an die rettende Botschaft.
Das Glauben an das Evangelium (= die „Gute Nachricht“) ist die zweite „Bedingung“, wenn man so will.
Fällt es dir schwer, an eine gute Nachricht zu glauben? Normalerweise eigentlich nicht. Außer, die Nachricht ist so gut, dass ich es (fast) nicht glauben kann.
Beispiel: Jemand hat die Schulden für unser Haus übernommen.
Jesus ist für mich am Kreuz gestorben, damit ich Teil dieses wunderbaren Reiches Gottes werden kann. Das ist ja unglaublich!!!
Es ist wahr, ob ich es glaube, oder nicht. Für mich zur erlebten Realität wird es aber erst, wenn ich es glaube.
Es zu glauben ist viel mehr, als es für wahr zu halten. Zurecht wird in den modernen Übersetzungen das Wort Glaube sehr oft mit Vertrauen wiedergegeben. Ich vertraue Jesus mein Leben an.
Wenn ich in einen Bus steige, dann vertraue ich dem Busfahrer mein Leben an. Ich vertraue nicht nur darauf, dass er einen Busführerschein besitzt, sondern auch, dass er nicht betrunken ist, oder fahrlässig einen Unfall verursacht. Wenn ich dieses Vertrauen nicht hätte, würde ich niemals in diesen Bus einsteigen.
Genauso bedeutet an das Evangelium zu glauben, dass ich mein Leben Jesus anvertraue. Ich vertraue darauf, dass seine Entscheidungen gut für mein Leben sind und ich deshalb diese Entscheidungen, so gut ich kann, in meinem Leben umsetze.
Das Reich Gottes wird erst dann in meinem Alltag „ankommen“, wenn Jesus in der Mitte meines Lebens und meines Herzens ankommen darf. Erst dann werde ich alle Auswirkungen erLEBEN.
Jesus ist zwar der Heiland, der Erlöser, der Sohn Gottes und daher auch der Herr aller Herren, aber sein Dienst auf Erden war keineswegs eine „One-Man-Show“. Gleich am Beginn seines Dienstes berief er Jünger. Als erstes rief er zwei Brüderpaare: Simon Petrus und Andreas, sowie Jakobus und Johannes. Alle vier waren Fischer. Jesus traf sie bei der Arbeit an und sie verließen prompt alles, um Jesus zu folgen. Vers 18: Sofort ließen die beiden Männer ihre Netze liegen und gingen mit ihm.
Ich glaube nicht, dass diese Fischer sich vor ihrer Arbeit drücken wollten und ihnen jede Abwechslung willkommen gewesen wäre. Sie waren als Fischer vermutlich keine Angestellten, sondern Selbstständig. Wie wir wissen, arbeitet ein Selbstständiger selbst – und ständig! 😊
Ich denke mir, dass Jesus eine ganz besondere Ausstrahlung hatte, der man sich nur sehr schwer entziehen konnte.
Und er suchte die Begegnung. Er ging auf die Jünger zu und rief sie aktiv auf, ihm nachzufolgen und ihm zu vertrauen. Genauso wie er auch heute die Begegnung mit den Menschen sucht und viele in seine Nachfolge ruft.
Wir als seine Nachfolger heute dürfen uns von ihm inspirieren lassen und auch, so wie er, aktiv auf andere zugehen. Jesus waren die Menschen nicht gleichgültig. Genauso dürfen auch wir als Christen heute nicht die Augen vor den Sorgen und Problemen der Menschen um uns herum verschließen. Es ist heute unsere Aufgabe, unseren Mitmenschen im Namen Jesu zu dienen und jene in seine Nachfolge zu rufen, die er rufen möchte.
Obwohl Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, konnte Jesus nicht alle gleichzeitig in seine Nachfolge berufen, sondern wählte einige, ganz bestimmte aus. Er verließ sich bei dieser Entscheidung, wen er rufen würde und wen (noch) nicht, ganz auf das, was ihm der Vater im Himmel zeigte. Das ist auch der Schlüssel für uns, wenn es darum geht, Menschen, denen ich begegne, in die Nachfolge Jesu zu rufen.
Auch wir können nicht pauschal alle zu Jüngern Jesu machen. Das würde uns heillos überfordern. Aber wir können Gott bitten, dass er uns diejenigen zeigt, die wir „bejüngern“ sollen.
Gerade da spielt der richtige Zeitpunkt, der Kairos, eine entscheidende Rolle. Gott hat einen perfekten Plan, auch was das Timing angeht. Es kann sein, dass jemand, den du kennst, eine große Berufung von Gott hat. Du siehst in ihm vielleicht schon das, was Gott mit dieser Person vorhat, aber dieser Mensch ist noch nicht so weit. Aus welchem Grund auch immer. Zu früh dran zu sein ist genauso wenig hilfreich wie zu spät.
Ich glaube aber, dass gerade jetzt, in dieser Corona Krisenzeit, so ein Kairos Moment Gottes ist. Die ganze Welt hält den Atem an. Niemand weiß wann, und ob es überhaupt so werden wird, wie es einmal war.
Kann es sein, dass Gott diese globale Krise ganz konkret dazu verwendet der Menschheit ein Stoppschild vor die Nase zu stellen und uns allen zu sagen: Kehrt um! Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen!?
Kann es sein, dass wir uns in einer ähnlichen Phase befinden, wie ziemlich am Anfang der Menschheit: Beim Turmbau zu Babel (1. Mose 11)? Als die Menschen auch gedacht haben, es geht immer weiter nach oben. Wir bauen uns einen Turm in den Himmel und setzten uns selbst auf den Thron Gottes. Ich sehe da schon Parallelen.
Die Frage, die sich stellt, ist, wie wir als Menschheit, als Gesellschaft, auf dieses Stoppschild Gottes reagieren?
Die Antwort, die wir aus der Begegnung mit Jesus haben, ist, dass Jesus sein Reich aufbaut. Ein Reich, in dem es eben nicht mehr um größer, schneller, höher, weiter geht. Um noch mehr Profit auf Kosten der Schwächeren, sondern wo es darum geht, einander zu sehen, zu helfen und zu begleiten. Wieder näher zusammen zu rücken.
Das gilt im Großen, wenn wir uns politische, soziale und wirtschaftliche Systeme anschauen. Das gilt aber auch im Kleinen: Ich bete zum Beispiel dafür, dass wir den Wert der Familie, so wie von Gott geplant als wichtigste Zelle der Gesellschaft, ganz neu entdecken.
Dass Kinder in gesunden, vertrauensbildenden Familien aufwachsen können und somit zu starken, tragfähigen Mitgliedern der Gesellschaft von morgen werden.
Ich bete auch dafür, dass wir als Christen ein echtes Vorbild sind, was den ehrlichen Umgang miteinander angeht. Dass wir nicht unsere Ellbogen einsetzen, um uns einen Vorteil zu verschaffen, sondern dass wir, wie es in der Bibel heißt, den Anderen höher achten als uns selbst und uns dementsprechend verhalten.
Und ich bete darum, dass Gott und Weisheit gibt, aber auch die Mittel und den Mut gibt, den Menschen in seinem Namen so zu dienen, wie er selbst diesen Menschen dienen möchte. Und wir uns dadurch als seine Jünger ausweisen. Dass, wenn Menschen uns begegnen, sie Jesus selber begegnen.
Das, was ich- was jeder von uns jetzt in dieser Kairos Zeit tun kann, ist mich von Gott führen zu lassen und ein Vorbild, ein Modell eines Menschen zu sein, der aus dem Frieden mit Gott heraus seine Welt nach den Werten und Vorstellungen Gottes gestaltet.
Menschen, Jünger Jesu, die so wie Jesus selber wissen, wer sie in Gott sind und diese „Spielchen der Welt“ nicht mehr mitspielen müssen.
Dieses „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste, der Reichste, die Gestylteste, der Erfolgreichste im ganzen Land?“
Männer und Frauen, die nicht nur so ein bisschen religiös sind, sondern Jesus als echten Mittelpunkt ihres Lebens haben, und deshalb erfrischend, ansteckend anders leben.
Das sind die Menschen, mit denen Gott sein Reich hier auf Erden, vor, mitten und nach der Krise baut.
Gott ist immer am Wirken (Johannes 5,17), ganz besonders jetzt.
Jetzt ist er dabei, Menschen zu begegnen.
Jetzt ist er dabei, dich und mich zuzurüsten, damit er durch uns anderen begegnen kann.
Heute ist der Tag, an dem er Menschen in seine Nachfolge ruft.
An seiner Botschaft: „Kehrt um und vertraut der Guten Nachricht“, hat sich bis heute nichts geändert. Genauso wenig wie sich die Tatsache geändert hat, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Dieses Reich, von dem wir noch viel hören werden, weil es das Markusevangelium wie ein roter Faden durchzieht und das überall dort sichtbar wird, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen.
コメント