Die Mutterseite Gottes
- Peter Köttritsch
- vor 3 Tagen
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
„Ich glaube, meine Mutter versteht nichts von Kindern", sagt Marie.
Wie kommst du denn darauf?", fragt Tante Emma.
Wenn ich wach bin, schickt sie mich ins Bett, und wenn ich müde bin, weckt sie mich auf."
Wir Christen glauben an die Trinität aus Gott Vater, Jesus (Sohn) und Heiligem Geist.
Das hebräische Wort für den Heiligen Geist (Ruach) ist weiblich. Also müssten wir genau genommen von der „Heiligen Geistin“ sprechen. Das ist offensichtlich so ungewöhnlich, dass mein Rechtschreibprogramm dieses Wort gar nicht kennt! 😊 Ruach kann auch mit Wind, Hauch, oder Atem übersetzt werden.
Jesus war eindeutig ein Mann. Aber bei Gott „Vater“ ist die Sache dann nicht mehr ganz so eindeutig. Er wird zwar meist als alter, weißer Mann mit langem weißem Bart dargestellt, aber entspricht ihm dieses Bild?
Ist es nicht vielmehr so, dass wir uns gar kein Bild von Gott machen sollen? Natürlich, in Jesus hat Gott ein ganz menschliches (männliches) Gesicht bekommen. Aber Gott als dreieiniges Wesen lässt sich nicht in ein menschliches Bild einsperren, auch nicht in eine Geschlechterrolle.
Schließlich heißt es ganz am Anfang, beim Schöpfungsbericht in 1. Mose 1,27: So schuf Gott den Menschen als sein Abbild, ja, als Gottes Ebenbild; und er schuf sie als Mann und Frau. (wörtlich männlich und weiblich)
Das heißt, erst Männer und Frauen gemeinsam spiegeln Gottes Ebenbildlichkeit wider. Alleine in diesem einen Vers liegt so etwas wie ein schönes Geheimnis. Ein Mysterium. Bei so einem Geheimnis geht es nicht darum, es zu entschlüsseln, um dann auf alle Fragen eine Antwort zu bekommen. Ein Mysterium leitet uns zum Nachdenken, zum Staunen und, wenn es ein göttliches Mysterium ist, in die Anbetung.
Kannst du detailliert genau beschreiben, was du empfunden hast, als du die Weite des Universums unter einem klaren Sternenhimmel erahnt hast? Oder die Weite des Ozeans, die Schönheit eines Berges, oder als du bis über beide Ohren in jemanden verliebt warst? Mysteriös, im wahrsten Sinn des Wortes!
Manchmal ist es gut, nicht auf alle Fragen sofort eine Antwort zu bekommen.
Im nächsten Vers gibt Gott dann Mann und Frau gemeinsam den Auftrag, die Erde zu bevölkern. Theologen streiten mittlerweile darüber, ab wann dieser Auftrag erfüllt sein würde. Das ist jetzt aber ein anderes Thema.
Zurück zum eigentlichen Thema: Ist Gott „nur“ Vater? Oder ist er auch „Mutter“?
Ich spreche jetzt nicht von der „Mutter Gottes“ (Maria), wie sie in der römisch katholischen Kirche verehrt wird. Maria, die Mutter Jesu, war ein ganz normaler Mensch. Ein großes Glaubensvorbild und eine liebevolle, fürsorgliche Mutter. Sie gehörte auch zum Jüngerkreis Jesu. Sie war eine der wenigen, die bei der Hinrichtung Jesu nicht geflohen ist, sondern mit ihm unter dem Kreuz ausgeharrt hat. Sie war die Mutter Jesu, aber die Bezeichnung „Mutter Gottes“ würde sie nach meiner Überzeugung an einen Platz hieven, den sie, so glaube ich, selber niemals angestrebt hat, und der auch von Gott nicht für sie vorgesehen war.
Ihre Überhöhung in der römisch katholischen Kirche (und auch z.T. in den orthodoxen Kirchen) spiegelt den Wunsch nach einem weiblich-mütterlichen Zugang zu Gott wider.
Keine der Mariendogmen, die gelehrt und geglaubt werden, können aus der Bibel abgeleitet werden. Sie sind, soweit ich das beurteilen kann, durch den Einfluss der verschiedenen Kulte, in denen Göttinnen verehrt wurden, auf die frühe Kirche entstanden.
Wenn aber Gott ohnehin seit Anfang an auch eine weibliche und mütterliche Seite hat, dann brauchen wir weder Maria, noch andere Fürsprecherinnen, um eine liebevolle, enge Beziehung zu Gott aufbauen zu können.
Deshalb möchte ich heute am Muttertag diese weibliche Seite Gottes etwas herausstreichen.
Jesaja 66,10-14 (NL)
Freut euch mit Jerusalem! Jubelt alle in der Stadt, die ihr liebt. Singt alle voller Freude mit ihr, die ihr um sie getrauert habt.
11 Dann werdet auch ihr euch an ihrer tröstenden Brust satt trinken können und euch an ihrer herrlichen Mutterbrust erfreuen.
12 Denn so spricht der Herr: »Schaut, ich werde den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen Fluss nach Jerusalem fließen lassen. Ihre Kinder werden saugen, sie werden auf den Armen getragen und auf den Knien liebkost werden.
13 Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet. In Jerusalem sollt ihr getröstet werden.«
14 Ihr werdet es zu sehen bekommen und euer Herz wird sich freuen. Eure Körper werden grünen wie Gras! So macht sich die Hand des Herrn an seinen Dienern bemerkbar - aber seine Feinde lässt er seinen Zorn spüren.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Diese Zeilen sind weit mehr als ein paar erbauliche Worte, von denen wir so viele in der Bibel finden. Es sind konkrete Zusagen für Menschen, die sich in einer besonderen - ich möchte sagen in einer besonders schwierigen und trostlosen - Situation befinden.
Jerusalem, die Stadt, die das politische, gesellschaftliche und religiöse Zentrum des Königreiches Israel war, war zerstört. Krieg und Elend, Hunger und Tod prägte das Leben der Menschen aus Jerusalem. Die meisten Israeliten mussten fern der Heimat leben. Sie waren nicht einmal Flüchtlinge, schlimmer noch: Sie waren Vertriebene.
Gerade diesen Menschen spricht Gott durch den Propheten Jesaja Trost zu. Dieser Trost Gottes besteht aber nicht nur aus gut gemeinten netten Worten: „Kopf hoch, es wird schon wieder irgendwie werden.“ Er gibt ihnen ganz konkrete Zusagen: Vers 14: Ihr werdet es zu sehen bekommen und euer Herz wird sich freuen.
Er schenkt ihnen mehr als eine Vision, eine Perspektive, eine Hoffnung an der sie sich wieder aufrappeln können.
Wir wissen, dass Gott zu seinem Wort steht und dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt. Bereits diese Generation, denen Jesaja dieses Wort sagte, durfte tatsächlich erleben, dass sie nach Jerusalem zurückkehren konnte. Der Tempel und später wieder die Stadtmauern von Jerusalem wurden durch das übernatürliche Eingreifen Gottes und auch durch das Handeln von Menschen, die Gott vertraut haben, wieder aufgebaut.
Der Wiederaufbau dieser besonderen Stadt begann damit, dass Gott sein Volk tröstete.
Wann brauchen wir Trost?
Wenn ich diesen Bibeltext lese, dann denke ich an blutige Knie oder aufgeschürfte Handballen nach einem Sturz als Radfahranfänger.
Wohin bist du gelaufen, wenn du als kleines Kind gestürzt bist? Vermutlich auf den Schoß und in die Arme deiner Mutter. Dort wird der Schmerz auf wundersame Weise gelindert. Dort bekomme ich die Kraft, den verbleibenden Schmerz auszuhalten, und auch die Zuversicht, dass alles wieder gut werden wird.
Unser Leben läuft nicht ohne Verletzungen ab. Weder für ein Kind, das Laufen oder Rad fahren lernt, noch für uns Erwachsene, die wir von Nachbarn beleidigt, von einem Unglück verfolgt, vom Chef gekündigt, von Krankheit betroffen oder vom Ehepartner enttäuscht werden.
Unser Leben läuft nicht ohne Verletzungen ab. Nicht im körperlichen, und schon gar nicht im seelischen Bereich.
Gott sagt zu dir: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Ich will dich trösten, wie dich deine Mutter (hoffentlich) getröstet hat.
Und dieser Trost Gottes ist mehr als ein paar nette Worte. Er ist der, auf dessen Schoß und in dessen Arme wir bei jeder Art von Verletzung laufen können. Er ist immer da für dich!
Dieser Trost lässt dich wieder aufstehen. Ich fahre heute gerne mit dem Fahrrad, trotz der vielen, zum Teil heftigen, Stürze, die ich hatte, trotz der blutenden Knie und der bis heute sichtbaren Narben. Der Trost, den mir meine Mutter gespendet hat, hat mir Kraft gegeben, wieder auf das Fahrrad zu steigen und weiter zu lernen.
Paulus schreibt in 2. Korinther 1:
3 Gepriesen sei Gott, der Vater von Jesus Christus, unserem Herrn. Er ist der Ursprung aller Barmherzigkeit und der Gott, der uns tröstet.
4 In allen Schwierigkeiten tröstet er uns, damit wir andere trösten können. Wenn andere Menschen in Schwierigkeiten geraten, können wir ihnen den gleichen Trost spenden, wie Gott ihn uns geschenkt hat.
5 Ihr dürft darauf vertrauen: Je mehr wir für Christus leiden, desto mehr lässt uns Gott durch Christus Trost zuteilwerden.
6 Wenn wir also von Kummer und Sorgen niedergedrückt sind, so ist es zu eurem Besten und zu eurer Rettung! Denn Gott spricht uns Mut zu, damit wir euch ermutigen können. Dann könnt ihr geduldig das Gleiche ertragen, das auch wir durchmachen.
7 Denn wir sind sicher, dass ihr zwar leiden müsst, aber auch von Gott getröstet werdet.
Jesus hat in seinem Leben unzähligen Menschen Trost gespendet, indem er sie geheilt hat, ihrem Leben einen Sinn gegeben hat, oder beispielsweise den einzigen Sohn einer Witwe vom Tod auferweckt hat.
Von Jesus selber wird der Heilige Geist als „Der Tröster“ vorgestellt (Johannes 14,26). Er ist der Tröster, der heute unter uns ist, auch wenn wir ihn nicht sehen. Aber wir wissen: Er ist da!
Es gibt auch den so genannten „falschen Trost“. Das sind die Dinge, die mir zwar Trost versprechen, zumindest kurzfristig, aber mich letztendlich nicht weiterbringen. Ein klassisches Beispiel dafür ist Alkohol. Für den Moment kann ich vielleicht meine Sorgen vergessen, wenn ich eine gewisse Menge trinke, aber am Nächsten Morgen sind die Probleme nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil. Menschen, die Alkoholkrank sind, trinken ja meist nicht, weil es ihnen so gut schmeckt, sondern weil sie Trost suchen.
Wenn der Heilige Geist, so wie Jesus es sagt, der Tröster schlechthin ist, dann ist jeder andere Trost, den ich mir suche, ein schlechterer Trost.
Ich habe noch zwei weitere Gedanken zur mütterlichen Seite Gottes:
Eine Mutter ernährt ihr Kind.
Stillen ist etwas, das nur Frauen, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht haben, können.
In den 70er Jahren hat es Versuche gegeben, das Stillen abzuschaffen. Es galt als unhygienisch und rückständisch. Da waren natürlich unter anderem auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Gott sei Dank hat man dann irgendwann doch erkannt, dass es für ein Baby nichts Besseres als die Mutterbrust gibt. Ich spreche bewusst von der Brust und nicht nur der Muttermilch, weil Stillen mehr ist als die Weitergabe von Nahrung. Beim Stillen wird eine wichtige Bindung zur Mutter aufgebaut, die für die gesunde Entwicklung des Kindes notwendig ist.
Auch wenn das Kind abgestillt ist, ist es meist die Mutter, die in einer Familie für die Versorgung mit Nahrung zuständig ist. Dieses „Klischeebild“ wird zwar von feministischen Kreisen massiv bekämpft, aber mir geht es nicht darum, Frauen in eine Rolle zu drängen, sondern ganz im Gegenteil: Ich sehe darin eine Parallele zu Gottes Versorgung.
Jesus zitiert ja das Alte Testament, wenn er sagt: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt!“
Gott sorgt für seine Kinder. Immer!
Kinder, die in einer gesunden Familie aufwachsen, wissen, dass in der Regel die Mama bereits für das Essen gesorgt hat, wenn das Kind (beispielsweise von der Schule) nach Hause kommt. Genauso ist es auch für ein Kind Gottes eine ganz normale geistliche Erfahrung, dass Gott mir das gibt, was ich zum Leben brauche.
Die Schönheit einer Mutter
Kinder im Kindergartenalter wurden aufgefordert, die schönste Frau, die sie kennen, zu beschreiben. Sie alle haben ihre eigene Mutter beschrieben.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Das heißt, was als schön empfunden wird, ist sehr subjektiv. Aber dennoch gibt es Dinge, Orte, Menschen usw. die ganz allgemein als schön empfunden werden. Ein Sonnenaufgang über dem Meer, ein besonderes Bild, ein zeitloses Musikstück… Als Baby finde ich sogar Spinnen süß.
Das Gebetshaus Augsburg hat vor einigen Jahren eine Konferenz zum Thema Schönheit gemacht.
Schönheit zeigt uns, wie Gott selber ist. Der Himmel (die unmittelbare Gegenwart Gottes) wird in der Bibel als so schön beschrieben, dass eigentlich die Worte dafür fehlen. Deshalb hat Jesus so viele, sehr unterschiedliche Bilder dafür verwendet.
Wer schon einmal bei einer Geburt dabei war, der weiß, wie emotional dieser Moment ist, wenn der kleine Mensch das Licht der Welt erblickt und die Frau (wieder) Mutter wird. Dieser Moment ist auch deshalb so emotional, weil da trotz dem Chaos rundherum (Wehen, Blut, ohnmächtige Väter…) so viel Schönheit sichtbar wird.
Jesus vergleicht eine menschliche Geburt mit dem Hereinbrechen des Reiches Gottes. Da blitzt dann die Schönheit Gottes für alle durch.
Ein letzter Gedanke:
Zu wem bist du gelaufen, als du als kleines Kind Trost gesucht hast? Oder noch schnell etwas zu Essen haben wolltest?
Zu der Mutter deines Freundes, oder zu deiner eigenen Mutter? Natürlich zu deiner eigenen. (Sofern sie da war.) Du hast hoffentlich noch immer eine gute Beziehung zu ihr. Diese Beziehung hat bereits vor deiner Geburt begonnen. Sie ist die allerwichtigste Beziehung im Leben eines Kleinkindes. Die Beziehungen zu anderen Menschen, auch zu anderen Müttern, entstehen später erst.
Es heißt im vorhin gelesenen Text bei Jesaja: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Nicht wie einen irgendeine Mutter tröstet.
Das heißt: Wenn ich will, dass Gott mich wie meine Mutter tröstet, dann muss Gott meine „Mutter“ werden. Dann brauche ich eine Beziehung zu ihm/ihr. Gott will dein Vater (darüber möchte ich nächsten Sonntag sprechen) und deine Mutter gleichzeitig sein und er/sie kann es auch. Er ist Vater und Mutter allen Lebens.
Und bei Gott allein finden wir wirklichen Trost, finden wir echte Nahrung für Geist, Seele und Leib, und finden wir Schönheit.
Deshalb wollen wir uns heute nicht nur bei allen Müttern bedanken, sondern vor allem bei Gott.
Comentários