Ich bin nicht gerade ein leidenschaftlicher Frühaufsteher. Ich könnte zwar nicht mehr, so wie in meiner Jugendzeit bis Mittag im Bett bleiben, aber wenn der Wecker klingelt und es draußen noch dunkel ist, dann sind meine ersten Gedanken sicher nicht: „Hurra, endlich darf ich aufstehen!“
Es heißt zwar „Morgenstund hat Gold im Mund“, und „Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Aber ich halte es da eher mit Michael Niavarani, der ein Buch mit dem Titel: „Der frühe Wurm hat einen Vogel“ herausgebracht hat.
Nun gehört es aber zu den christlichen Tugenden, gleich am Morgen die Nähe Gottes zu suchen. Noch bevor die Last- und alle Eindrücke des Tages auf mich hereinprasseln. Das hat durchaus seine Berechtigung. Und diese Tugend hat vor allem ein biblisches Vorbild: Jesus selber.
Ich möchte mit euch heute im Markusevangelium weiterlesen. Bei meiner letzten Predigt haben wir gesehen, das körperliche Heilung ein wesentlicher Bestandteil von Jesu Dienst auf Erden war. Und dass Jesus uns Jüngern heute diesen Dienst anvertraut hat. Selbst wenn wir nicht immer Spontanheilungen auf unsere Gebete erfahren, brauchen wir uns nicht in rationalen Erklärungen verlieren, warum das heute so nicht mehr geht, sondern wir dürfen voller Einfalt (nicht Naivität) weiter beten und darauf vertrauen, dass JC sein Heilungswerk durch uns heute fortsetzt. Und zwar so, wie er es will, nicht wie wir es wollen.
Jesus war also im Haus des Petrus, hatte gerade dessen Schwiegermutter geheilt und am Abend kamen ganz viele Menschen zu ihm, um Heilung und Befreiung zu empfangen.
Es gibt zwar keine genauen Zeitangaben darüber in der Bibel, aber ich gehe davon aus, dass es sehr spät war, als Jesus endlich in Bett kam. Ich kann mir vorstellen, dass er hundemüde nach so einem Tag war.
Bei der Geschichte der Sturmstillung wird so ganz nebenbei berichtet, dass Jesus in dem Boot eingeschlafen war. Ich glaube, ich hätte in dieser „Nussschale“ bei Sturm kein Auge zugebracht. Aber Jesus war offensichtlich sehr müde.
Nach diesem Heilungsabend bei Petrus, der, wie gesagt vermutlich nicht um 22h zu Ende war, hätte ich mir am nächsten Morgen gegönnt, nicht so bald aufstehen zu müssen.
Aber Jesus:
Mk 1,35-39
35 Ganz früh, es war noch Nacht, [ELB: als es noch sehr dunkel war] ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten.
36 Später suchten ihn Simon und die anderen.
37 Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: »Alle fragen nach dir.«
38 Doch er entgegnete: »Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.«
39 Und so zog er durch das ganze Gebiet von Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb bei vielen Menschen Dämonen aus.
Diese Situation ist schon sehr interessant. Ganz offensichtlich hatten sich im Laufe des Morgens wieder viele im und vor dem Haus des Petrus versammelt um Jesus zu hören und von ihm geheilt zu werden. »Alle fragen nach dir.« In diesem Satz von Petrus schwing eine Begeisterung mit: „Das ist deine Chance Jesus!“, aber auch das Erkennen von großer Not und der Möglichkeit Menschen zu helfen und Gutes zu tun.
Diese Menschen, die da scharenweise angeströmt kamen, hatten offenbar ein gesundheitliches, oder vielleicht auch ein seelisches Problem, oder wollten Jesus einfach sehen, ihn hören, ihn kennen lernen.
In jedem Fall waren Petrus und die anderen Jünger der Meinung, dass das heute die Gelegenheit war, den erfolgreichen Abend vom Vortag zu prolongieren. „Das Eisen schmieden, so lange es noch heiß ist“, wie man sagt.
Aber Jesus hat andere Pläne. Er hat vom Vater in seinem morgendlichen Gebet gehört, was für den heutigen Tag dran ist. Er lässt sich von der Not der Menschen nicht nötigen, sondern tut das, was sein Auftrag ist.
»Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.«
Das Thema, das ich meiner heutigen Predigt gegeben habe, lautet: Prioritäten.
Jesus hatte ganz klare Prioritäten in seinem Leben. Nach ihnen gestaltete er nicht nur seinen Tagesablauf, sondern ganz viele seiner Entscheidungen spiegelten seine Prioritäten wider.
Wie sieht deine persönliche Prioritätenliste aus? Egal, ob du sie sauber führst und Punkt für Punkt, den du erledigt hast abhackst, oder ob sie eher unbewusst irgendwo in deinem Kopf herumschwirrt, Fakt ist: Jeder von uns hat so eine Prioritätenliste, die darüber entscheidet, was wichtig für uns ist und was nicht. Was wir gleich sofort als erstes angehen und was wir so lange es geht vor uns herschieben, oder im besten Fall an Jemanden delegieren können.
Jeder hat so eine Liste, aber so lange ich mir diese Liste nicht bewusst mache, wird die Reihung dieser Liste von meinem Bauch und meinen Bedürfnissen bestimmt werden. Bedürfnisse sind etwas Wichtiges und müssen gestillt werden. Sonst werde ich krank, oder zumindest unausgeglichen.
Aber es gehört zur Reife im Leben, und ganz besonders im Glauben dazu, dass ich lerne, das Befriedigen meiner Bedürfnisse und auch meiner Wünsche, erst einmal nach hinten zu verschieben um etwas mit einer höheren Priorität zuerst zu erledigen.
Bsp.: Ein Baby schreit, wenn es Hunger hat. Es schreit so laut und herzzerreißend, bis es im wahrsten Sinn des Wortes gestillt wird.
Wenn mir in der Arbeit um 11.30h der Magen zu knurren beginnt, hätte mein Chef wenig Verständnis dafür, dass ich alles liegen und stehen lasse, um mich an den Mittagstisch zu setzen. In diesem Fall sagt mir meine innere Prioritätenliste: Jetzt ist Arbeitszeit, dann gibt es Futter. Diese halbe Stunde halte ich aus.
Was hat Priorität Nr.1 in deinem Leben?
Die einzig richtige Antwort als Christ ist natürlich zu sagen: Gott ist auf meiner Prioritätenliste ganz oben.
Dann folgt mein Ehepartner, meine Kinder, mein Beruf, mein Engagement in der Gemeinde, dann erst meine Freizeit usw.
Schön, oder?
All diese Listen lassen sich dann noch biblisch belegen, dann können wir sie einrahmen und am Klo aufhängen und jetzt brauchen wir uns nur noch daran zu halten. 😊
Aber wie sieht das wirklich in der Praxis aus? Wie kann ich diese schöne Liste in meinem Leben so umsetzen, dass sie im Alltag Realität wird und nicht nur schön eingerahmt am Klo hängt?
Was muss passieren, dass Gott wirklich die Nr.1 in meinem Leben ist?
Was heißt das konkret, dass er in meiner Prioritätenliste ganz oben ist?
Meine persönliche Prioritätenliste spiegelt meist unbewusst meine Werte wider. Das was mir wirklich wichtig ist, das woran ich glaube, was meine innersten Überzeugungen sind, rutscht ganz automatisch auf meiner Prioritätenliste nach oben. Das muss ich mir gar nicht bewusst vornehmen. Das ist einfach so.
Deshalb ist es sinnlos mit Appellen und guten Vorsätzen zu versuchen die richtigen Prioritäten im Leben zu bekommen. Viel zielführender ist es, meine Werte zu reflektieren und hier anzusetzen.
Aus der vorhin gelesenen Bibelstelle geht ganz klar hervor, dass das Gebet, genauer gesagt die ungestörte Zeit mit seinem himmlischen Vater, für Jesus eine so hohe Priorität hatte, dass er dafür sogar auf Schlaf verzichtete. Ich glaube nicht, dass Jesus das als Pflichterfüllung ansah. Es war für ihn tiefste Überzeugung, dass die Zeit ganz nah am Vaterherz zu sein, unendlich kostbar für ihn war. So kostbar, dass er dafür sogar nach diesem Abend noch früher aufstand, um alleine Zeit mit seinem Vater zu haben. Daraus schöpfte er jene Kraft, die er für seinen Dienst brauchte.
Ich denke diese Überzeugung, dass Zeit mit Gott wichtiger als ALLES andere ist, kam aus der Erfahrung, die er zuvor schon viele Male gemacht hatte: Es zahlt sich aus, Gottes Nähe zu suchen. Immer und überall. Diese Erfahrung brannte sich in seine Seele so tief ein, dass eine unerschütterliche Glaubensgewissheit daraus wurde.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Jesus dieses „Gottes Nähe suchen“ auch erst lernen und für sich entdecken musste. Auch er wird mit dem Gedanken gerungen haben, doch lieber im kuschelig warmen Bett zu bleiben. Aber seine Werte und Überzeugungen wurden zu Taten.
Darum bin auch ich davon überzeugt, dass Gott in unserem Leben erst dann wirklich die Nr.1 wird, wenn wir ihn persönlich als diesen unendlich liebenden Vater kennenlernen, der uns in der Bibel beschrieben wird.
Insofern hat Bronwin mit ihrer Predigt vor zwei Wochen einen optimalen Grundstein für meine Predigt heute gelegt.
Mit wem bist du gerne zusammen? Mit anstrengenden Typen, die immer nur von dir etwas wollen, oder mit Personen, die dir persönlich gut tun? Bei denen du auftanken kannst?
In meiner persönlichen „Horch Zeit“ bei Gott – ich mache diese Zeit zwar normalerweise nicht, wenn es „noch sehr dunkel ist“, sondern wenn mein Kreislauf und meine Gedanken etwas in Schwung gekommen sind, aber noch bevor ich mein Tagewerk beginne – in dieser „Horch Zeit“ höre ich persönlich ganz viel Ermutigung von Gott. Ganz viel Bestätigung. Worte, die mein Herz mit Gottes Liebe füllen.
Da geht es weniger um Entscheidungen, die im Laufe des Tages anstehen. Manchmal auch. Aber in erster Linie sind es sehr persönliche Worte für mich. Es ist eine Zeit, in der ich meinen Geist ganz bewusst auf Gott ausrichte. Indem ich das tue, rückt Gott in meiner Prioritätenliste nach oben.
Anbetung ist genau das. Ich richte mich bewusst auf Gott hin aus und sage: Du Herr bist das Wichtigste in meinem Leben. Du bist so wunderbar, herrlich, schön, voller Liebe und Barmherzigkeit. Ich stelle mich dir ganz zur Verfügung. Mein ganzes Sein gehört dir!
Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass ein Tag, den ich so beginne ganz anders verläuft, als wenn ich versuche den Tag, mit all seinen Herausforderungen, alleine und aus eigener Kraft zu bestreiten. Die Probleme und Schwierigkeiten werden durch das auf Gott ausrichten nicht weniger, aber welch ein Unterschied, wenn ich weiß, wer ich in Gott bin und dass er mir in jeder Situation beisteht.
Je öfter ich diese Erfahrung mache, dass Gott mit mir ist, wenn ich ihn gleich am Morgen suche, desto selbstverständlicher wird es für mich, ihn tatsächlich jeden Morgen zu suchen und meinen Tag auf ihn auszurichten.
Und ein interessanter „Nebeneffekt“ dabei ist: Wenn Gott durch dieses „auf ihn ausrichten“ in meiner Prioritätenliste ganz nach oben rückt, dann hat das positive Auswirkungen auf alle anderen Punkte in meiner Liste.
Dann werde ich meinem Ehepartner ganz anders begegnen können, als wenn ich versuche sie/ihn aus eigener Kraft zu lieben. Dann werde ich meinen Kindern die Zeit und Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchen. Dann wird meine Arbeit den richtigen Stellewert in meinem Leben bekommen. Dann werde ich meinen Platz in der Gemeinde finden und voll Freude ausfüllen usw. Vielleicht nicht sofort alles auf einmal, aber Schritt für Schritt werde ich mich in die richtige Richtung bewegen.
Julia hat mir zu Weihnachten ein Bild gezeichnet. Dieses Bild hängt jetzt in meinem Büro. Ich finde dieses Bild, gerade in seiner Schlichtheit sehr berührend. Es trägt den Titel: „Der Vater umarmt den Vater“ Also das bin ich, in den Armen meines himmlischen Papas.
Ich lade euch ein, als Abschluss dieser Predigt, dieses Bild zu betrachten und auf euch wirken zu lassen.
Horcht genau hin, was der Vater euch sagen will.
Dazu:
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